Segawa-Dystonie
Barbara Pfäffls Facharbeit

Das zentrale Nervensystem und die Rolle von Dopamin

Unter dem Begriff des Zentralen Nervensystems (ZNS) wird das Gehirn und das Rückenmark zusammengefasst. Man grenzt es so vom peripheren Nervensystem ab. Das ZNS wird in die fünf folgenden Hauptabschnitte eingeteilt: Großhirn, Zwischenhirn, Kleinhirn, Stammhirn und Rückenmark. Das ZNS ist in die graue und in die weiße Substanz unterteilt. Die graue Substanz besteht aus den Somata der Neuronen, die weiße Substanz aus den Axonen der Neuronen.

Abbildung 1: Gehirnstrukturen
Abbildung 1: Gehirnstrukturen (aus www.sinnesphysiologie.de 11.03.2008)

Im Stammhirn und hier insbesondere im Mittelhirn liegt die Substantia nigra, welche bezüglich des Segawa-Syndroms eine besondere Rolle spielt. Der Name Substantia nigra (lat. niger „schwarz“) stammt vom hohen Gehalt an Eisen und Melanin, die dieser Gewebestruktur des Mittelhirns seine Farbe verleihen.

 

Abbildung 2: Strukturen im Stammhirn
Abbildung 2: Strukturen im Stammhirn (aus www.sinnesphysiologie.de 11.03.2008)

Abbildung 3: Dopaminerge Bahnen im Gehirn (www.sinnesphysiologie.de 11.03.2009)
Abbildung 3: Dopaminerge Bahnen im Gehirn (www.sinnesphysiologie.de 11.03.2009)

 

Die Substantia nigra steht über verschiedene Schaltkreise mit anderen Gehirnstrukturen in Verbindung. Zur Substantia nigra verlaufen zuführende Nervenfasen (Afferenzen) vom motorischen Cortex (ein histologisch abgrenzbarer Bereich, der die willkürlichen Bewegungen steuert), aus dem Nucleus caudatus (Anteil der Basalganglien, der auch für die Kontrolle willkürlicher Bewegungen verantwortlich ist) und dem Putamen (Teil der grauen Substanz des Gehirns, ebenfalls Kontrolle der Bewegungen). Die ableitenden Nervenfasern (Efferenzen) ziehen zum Striatum (Streifenkörper, Teil der Basalganglien) und zum Thalamus (größter Teil des Zwischenhirns).

Histochemisch lassen sich verschiedene Neurotransmitter in den Neuronen der Substantia nigra nachweisen, jedoch sticht ein hoher Dopamingehalt besonders hervor. Über die genannten dopaminergen Neurone werden Signale vermittelt, die besonders auf die Planung und den Beginn einer Bewegung wirken („Starterfunktion“) und ebenso wird von diesem Neuronensystem die Motorik überwacht. Entstehen hier Gewebeabbau durch Alterung oder neurologische Krankheiten, verletzungsbedingte Gewebezerstörungen oder Tumoren, führt dies zu Bewegungs- und Gangstörungen.

Neurotransmitter

Die Evolution hat sich bei der Signalweiterleitung für chemische Schnittstellen entschieden, damit das Signal, wie bei einer Einbahnstraße nur in eine Richtung weitergeleitet werden kann. Es gibt afferente Bahnen, z.B. vom Sensor zum Gehirn und efferente Bahnen, z.B. vom Gehirn zum Muskel. Die Signalstoffe, die an den Schnittstellen (Synapsen) ihre Wirkung entfalten, nennt man Neurotransmitter. Dies sind biochemische Stoffe, die durch elektrische Reize von einer Nervenzelle abgegeben werden und damit die Reizleitung eines Nervenimpulses modulieren, den Reiz verstärken oder abschwächen. Nervenzellen verknüpfen sich untereinander mit Synapsen. Die gemeinsame Verbindungsstelle der Nervenzellen ist der sogenannte synaptische Spalt, der die Weiterleitung eines Signals reguliert. Wird eine Nervenzelle durch einen ankommenden elektrischen Impuls (Aktionspotential) erregt, so schütten die Speicherorte (Vesikel) der Neurotransmitter ihre Botenstoffe in den synaptischen Spalt aus und ermöglichen damit die Besetzung der Rezeptoren des nachgeschaltenen Neurons. Die Wirkung des Aktionspotentials wird auf diese Art und Weise in ein chemisches Signal umgewandelt, welches die Weiterleitung des Aktionspotentials steuert. Der Neurotransmitter selbst wird nach seiner Ausschüttung schnell enzymatisch abgebaut und der Wiederverwendung zugeführt.

Abbildung 4: Synaptische Übertragung (aus www.medizininfo.de/kopfundseeele/alzheimer/synaptische_uebertragungung.shtml 11.03.2008)
Abbildung 4: Synaptische Übertragung (aus www.medizininfo.de 11.03.2008)

Einteilung der Neurotransmitter

Chemisch gesehen handelt es sich bei den Neurotransmittern um eine sehr heterogene Gruppe. Sie lassen sich nach unterschiedlichen Kriterien einteilen. Eine der möglichen Einteilungen ist die Klassifizierung nach ihren chemischen Merkmalen in Neuropeptide, biogene Amine, Aminosäuren und lösliche Gase. Ebenso ist eine Unterteilung in kleinmolekulare Substanzen und neuroaktive Peptide möglich.

Zu den Neuropeptiden zählen unter anderem Endorphine, Enkephaline, Substanz P, Somatostatin und Insulin. Dopamin, Adrenalin, Noradrenalin, Acetylcholin, Histamin und Serotonin gehören zu den biogenen Aminen. Zur Gruppe der Aminosäuren gehören Glutamat, Aspartat, Glyzin und γ-Aminobuttersäure (GABA). Beispiele für atemgängige lösliche Gase sind Stickoxid und Kohlenstoffmonoxid (siehe Tabelle). Nicht alle Neurotransmitter sind in jeder Nervenzelle enthalten, sondern je nach dem Aufgabengebiet der Nervenzelle verteilt.

 

Stoffgruppe Neurotransmitter
Neuropeptide Endorphine, Enkephaline, Substanz P, Somatostatin und Insulin
Biogene Amine Dopamin, Adrenalin, Noradrenalin, Acetylcholin, Histamin und Serotonin
Aminosäuren Glutamat, Aspartat, Glyzin und γ-Aminobuttersäure (GABA)
Lösliche Gase Stickoxid und Kohlenstoffmonoxid

Tabelle 1: Einteilung der Neurotransmitter in deren Stoffgruppen

Dopamin

Dopamin ist ein biogenes Amin. Es hat die Summenformel C8H11NO2 und folgende Strukturformel:

Abbildung 5: Strukturformel von Dopamin
Abbildung 5: Strukturformel von Dopamin

Dopamin kann im menschlichen Organismus aus den Aminosäuren Phenylalanin beziehungsweise Tyrosin synthetisiert werden. Die für die Synthese benötigten Reaktionsschritte laufen in den chromaffinen Zellen von Nebennierenmark, Hypothalamus, Substantia nigra und in anderen Teilen des Nervensystems ab. Dopamin ist ein Zwischenprodukt der Synthese von Adrenalin und Noradrenalin, fungiert aber auch selbst als Neurotransmitter.

Synthese von Dopamin

Als Ausgangssubstanz dient die Aminosäure Tyrosin, welche zuerst die Bluthirnschranke passieren muss, da die Synthese in den dopaminergen Neuronen der Substantia nigra abläuft. Die Blut-Hirn-Schranke ist eine physiologische Barriere zwischen ZNS und Blutkreislauf. Sie schränkt den Austausch von verschiedenen chemischen Substanzen und Krankheitserregern zwischen dem Blutkreislauf und dem neuronalen Gewebe ein, während sie den Durchfluss von essentiellen Substanzen (z.B. Sauerstoff) erlaubt. Die Blut-Hirn-Schranke ist wichtig, damit Milieubedingungen im Gehirn unbeeinflusst vom restlichen Blutkreislauf aufrecht erhalten bleiben und schützt das Gehirn vor gefährlichen Toxinen. Substanzen wie Alkohol, Nikotin und Drogen können diese Schranke überwinden, weil sie fettlöslich sind. Wasserlösliche Stoffe müssen über die Transportsysteme der Endothelzellen (Zellen, die die Blutgefäße auskleiden) ins Gehirn eingeschleust werden. Somit haben Endothelzellen die Kontrolle darüber, welche Substanzen ins Gehirn eindringen können und welche ausgesperrt bleiben.
Abbildung 6: Synthese von Dopamin
Abbildung 6: Synthese von Dopamin
Im ersten Schritt wird Tyrosin am C3-Atom durch das Enzym Tyrosin-Hydroxylase mit einer zweiten Hydroxylgruppe ausgestattet und liegt damit als L-DOPA (3,4-Dihydroxyphenyl -alanin) vor. Danach decarboxyliert das Enzym L-DOPA-Decarboxylase das entstandene Molekül zum Stoffwechsel-wirksamen Amin Dopamin.
Die Geschwindigkeit der Umwandlung von Tyrosin in L-DOPA wird durch einen essentiellen Cofaktor, dem Tetrahydrobiopterin (BH4) gesteuert.
Abbildung 7: Strukturformel von BH4
Abbildung 7: Strukturformel von BH4
Tetrahydrobiopterin selbst entsteht durch die Umwandlung von Guanosintriphosphat (GTP), welche durch die GTP-Cyclohydrolase I katalysiert wird. Als weitere Cofaktoren werden Magnesium und Zink benötigt.

Wirkung von Dopamin

Im Volksmund gilt Dopamin als Glückshormon. Genauer betrachtet wird es aber für eine Vielzahl von lebensnotwendigen Steuerungs- und Regelungsvorgängen benötigt:
  • Dopamin ist an der Steuerung der Motorik beteiligt. Dopaminerge Bahnen von der Substantia nigra im Mittelhirn zu den Basalganglien spielen eine wichtige Rolle bei der Bewegungssteuerung, d.h. Dopamin gibt die Befehle des Nervensystems an die Muskulatur weiter (siehe Abbildung 2).
  • Dopamin beeinflusst Wahrnehmung und Gefühle.
  • Dopamin hemmt in der Hypophyse die Ausschüttung des Hormons Prolaktin, welches die Produktion von Milch in der Brustdrüse steuert.
  • Als Neurotransmitter im vegetativen Nervensystem reguliert es die Durchblutung innerer Organe. Insbesondere ist Dopamin an der Steuerung der Urinproduktion in den Nieren beteiligt.

Dopamin-Rezeptoren

Der Dopamin-Rezeptor ist die Empfangseinheit für Signale durch den Neurotransmitter Dopamin. Der Rezeptor sitzt auf der Zelloberfläche des postsynaptischen Neurons. Heutzutage sind uns fünf (in neueren Forschungen sogar 18!) verschiedene Dopamin-Rezeptoren bekannt. Aufgrund des intrazellulären Signalwegs und der Wirkungweise werden die Dopamin-Rezeptoren in zwei Gruppen eingeteilt:
  • D1-Familie (D1- und D5-Rezeptoren): Bei Stimulation der D1-Rezeptorgruppe durch Dopamin erfolgt die intrazelluläre Signalübermittlung zuerst über ein sogenanntes stimulierendes G-Protein. Dieses aktiviert das Enzym Adenylatcyclase. Die aktivierte Adenylatcyclase bewirkt die Umwandlung von intrazellulärem ATP in cAMP (cyclisches Adenosinmonophosphat). cAMP wiederum aktiviert andere intrazelluläre Proteine. Sinn dieser Signalkaskade ist vor allem die Verstärkung des Signals, das von einem Rezeptor ausgeht, da auf jeder Aktivierungsstufe mehrere folgende Proteine aktiviert werden. Diese D1-Gruppe wirkt somit aktivierend auf die Zelle.
  • D2-Familie (D2,- D3,- D4-Rezeptoren): Bei Stimulation dieser Rezeptorgruppe durch Dopamin erfolgt die intrazelluläre Signalübermittlung zuerst über ein sogenanntes inhibitorisches, d.h. hemmendes G-Protein. Dieses Protein hemmt die Adenylatcyclase. Dadurch wird weniger cAMP hergestellt und somit der nachfolgende Signalweg gehemmt bzw. abgebremst. Außerdem aktiviert diese Gruppe die Kalium-Kanäle. Dadurch wird z.B. das Ruhepotential von Nervenzellen stabilisiert und eine Erregung einer Nervenzelle erschwert. Die D2-Gruppe wirkt somit hemmend auf die Nervenzelle.
Abbildung 8: Diverse Dopaminrezeptoren (aus Doktorarbeit Stefan Pelz, Martin-Luther-Universität, Halle-Wittenberg, 2005)
Abbildung 8: Diverse Dopaminrezeptoren (aus Doktorarbeit Stefan Pelz, Martin-Luther-Universität, Halle-Wittenberg, 2005)

Es existieren aber auch präsynaptische Dopaminrezeptoren, welche die Ausschüttung von Dopamin im Sinne eines Rückkopplungs-Mechanismus („Feed back“) steuern. Weiterhin gibt es an der präsynaptischen Nervenfaser den Autorezeptor (D2a), der die Impulsfrequenz dopaminerger Neurone steuert.
Zusammenfassend wirken also die D1-verwandten Rezeptoren stimulierend, die D2-Rezeptoren jedoch hemmend.